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- [S5] LDZ, aus Gronau / Leine, 4 Mrz 1893.
Leichenbegängniß und Lebensbeschreibung Sr. Excellenz des Herrn GrafenAlexander Levin von Bennigsen.
Am Sonnabend, den 4. d. Mts. wurden die sterblichen Überreste des am 28. Februar verstorbenen Grafen Alexander Levin von Bennigsen zu Banteln der Familiengruft auf dem Bantelner Kirchhofe übergeben. Die Einsargung und Aufbahrung der Leiche fand am Sonnabend in den ersten Vormittagsstunden statt. Die Gesichtszüge des Entschlafenen haben in keiner Weise Veränderung erfahren: zufrieden, wie derselbe gelebt, ist er auch aus dem Leben geschieden; der Tod hat ihm nicht den Stempel eines schweren Kampfes auf das Antlitz gedrückt, sondern im Gegentheil ein zufriedenes Lächeln zurückgelassen. Herrliche Kranzspenden waren im Laufe der Tage eingegangen, unter denen wir besonders hervorzuheben haben die vier Lorbeerkränze der Familie des früheren Königs von Hannover und zwar von der Königen Marie, dem Herzog und der Herzogin von Cumberland und der Prinzeß Marie; diese Kränze waren mit gelb-weißen Schleifen und Palmwedeln versehen. Einen prachtvollen Kranz aus Lorbeerblättern, Marschall-Niel-Rosen, weißen Syringen und Maiblumen hatte der Vetterdes Entschlafenen, Herr Oberpräsident von Bennigsen, gespendet. Ein Jugendfreund des Entschlafenen Herr Oberjägermeister v. Reden hatte einen Kranz mit drei Palmwedeln und gelb-weißer Schleife gesandt; ein ähnlicher Kranz wurde vom Herrn Grafen von Steinberg-Brüggen überreicht. Vom vormaligen Amt Gronau, in dessen Amtsversammlung der Verstorbene mehrere Jahrzehnte gedeihlich gewirkt hatte, war ein prachtvoller Palmwedel mit weißem Hyazinthen- und Syringe-Bouquet, sowie weißer Schleife mit entsprechender Widmung eingegangen. Die Gemeinde Banteln hatte ihrem entschlafenen Mitbürger einen prächtigen Palmwedel mit Blumenbouquet und weißer Schleife, auf welche die Widmung: ?In dankbarer Verehrung, die Gemeinde Banteln!? mit goldenen Buchstaben hochfein eingestickt war, verehrt. Ebenfalls einen schönen Kranz mit Palmwedel, Bouquet und Schleife und Widmung hatte die Zuckerfabrik Gronau, dessen Verwaltungsraths-Vorsitzender der Verstorbene seit dem Bestehen der Fabrik gewesen, gespendet. Einen großen prachtvollen Lorbeerkranz mit Palmwedeln, Blumenbouquet und Schleife und Widmung hatte die Zuckerfabrik Bennigsen gesandt. Außer diesen Gaben der Freundschaft, Liebe und Verehrung, waren von den Gemeindemitgliedern, Beamten und sonstigen Untergebenen des Verstorbenen prachtvolle und auch einfache Kränze gespendet. Den Letzteren konnte man es ansehen, daß sie von eigener Hand geflochten und als Zeichen innigster Dankbarkeit und Verehrung gelten sollten. Beim Flechten dieser Kränze mag wohl ... über Angelegenheiten der Familie und der Gemeinde unterhalten zu können.
Die Aufbahrung der Leiche fand im Portal des gräflichen Schlosses statt. Dasselbe war von 11 Uhr Vormittags ab für Jedermann geöffnet. Nachmittags 2 Uhr wurden die sterblichen Überreste von dem gräflichen Schlosse nach der Bantelner Kirche in feierlichem Zuge getragen. Auf seidenem Kissen, umkränzt mit Lorbeerblättern, trug der langjährige gräfliche Hausbeamte Herr Aug. Cölle die Orden des Entschlafenen dem Sarge voran. Hinter dem Sarge schritt zunächst der Ortsgeistliche mit den nächsten Anverwandten, dem sich eine größere Anzahl hervorragender Persönlichkeitender Provinz und ein unabsehbares Leichengefolge aus Banteln und den umliegenden Gemeinden anschloß. Von den Ersteren bemerkten wir die Herren Oberpräsident Rudolf v. Bennigsen nebst Sohn, Lieutenant und Adjutant beim 7. Jägerbataillon, den Landrath des Kreises Gronau Kammerherrn v. Rheden, die Grafen Steinberg, v. Bernstorff, v. Schwichelt, Götz v.Olenhusen, Freiher v. Löhneisen, v. Wangenheim, v. Reden-Ranzburg, als Vertreter des Herzogs von Cumberland, v. Engelbrechten, Schatzrath Rössing u. a. m. Der Gemeinde- und Kirchenvorstand war in seiner Gesammtzahl ebenfalls vertreten. In der Kirche angekommen, hielt der Ortsgeistliche, Herr Pastor Paland, eine längere Rede, in welcher er in herzlichen Worten das Leben und Wirken und die Charaktereigenschaften des Dahingeschiedenen schilderte und dabei bemerkte, daß der Entschlafene ihn beauftragt habe, für ein schlichtes Leichenbegängniß Sorge zu tragen undsich bei der Beerdigung jeder Lobrede zu enthalten. Seine treue Anhänglichkeit an das Hannoversche Königshaus, sein Wirken als erster Minister im Königreich Hannover, seine Liebe zum hannoverschen Volke, die ihmüber alles ging und ihn wiederholt in Opposition gegen den König und seine Räthe brachte, schilderte der Geistliche in beredten Worten. Dann wurde der Sarg aus der Kirche getragen und auf den bereitstehenden Leichenwagen gehoben. In der vorher angegebenen Reihenfolge bewegte sich der Leichenconduct durch den Park, die Lindenallee entlang, welche der Entschlafene bei Lebzeiten fast täglich zu seinen Spaziergängen benutzt, nachdem Friedhofe. Nach kurzem Gebet und Segen wurden die Überreste des Verstorbenen in das für diesen Zweck errichtete Grabgewölbe gesetzt. Dort ruht nun an der Seite seiner Schwester, der Comtesse Alexandrine, der Sprößling einer althannoverschen Familie, dem es durch seine großen Geistergaben vergönnt war, an der Spitze seines Heimathlandes zu stehen und dessen eifrigstes Bestreben es gewesen, das hannoversche Volk glücklich und zufrieden zu machen, mit seinem angestammten Herrscherhause in der schweren Conflictszeit auszusöhnen und dem Volke den Frieden zu geben. Daß ihm dies nicht in vollem Maße gelungen, daranträgt der Entschlafene wahrlich die wenigste Schuld. Noch in seinen letzten Lebensjahren hat Graf Bennigsen wiederholt geäußert: ?O, wäre ichnoch jung und in meinen besseren Mannesjahren, dann würde ich nochviel für unser deutsches Volk wirken!? Daß der Dahingeschiedene kein Streber gewesen, sondern nur für Wahrheit, Freiheit und Recht gekämpft und selbst dort, wo es galt, die Rechte und Freiheiten des hannoverschen Volkes zu wahren, selbst vor dem Königsthron sich nicht gebeugt hat, lehrt uns die Geschichte unseres engeren Heimathlandes. Hätte man seiner Zeit seinem Rathe gefolgt, vielleicht wäre Vieles anders geworden. Sein Andenken wird in den Herzen aller rechtlichen Hannoveraner nie erlöschen, und in der Weltgeschichte wird der Name Alexander Levin von Bennigsen mit goldenen Buchstaben geschrieben stehen. Ehre seinem Andenken!
Das vielbewegte wechselvolle und an Enttäuschungen reiche Leben des Entschlafenen findet in der nachfolgenden Lebensbeschreibung, welche wir der ?Hildesh. Allg. Ztg.? entnehmen, wahrheitsgetreuen Ausdruck:?Mit dem Grafen Alexander v. Bennigsen ist aus dem Leben geschiedender sog. Märzminister in Deutschland, d. h. der Minister, die im März 1848 in Folge der politischen Bewegung in das hannoversche Ministerium berufen wurden, und gleichzeitig der letzte hannoversche Minister des Auswärtigen und des Königlichen Hauses, der alle seine Nachfolger in diesen Ämtern, als auswärtige Minister v. Münchhausen, v. Schele, v. Lenthe, GrafPlaten, als Hausminister v. Lücken, Graf Kielmansegge, v. Malortie, überlebt hat. Die Familie v. Bennigsen gehört zum niedersächsischen Uradel, ihr Stammort ist das im Kreise Springe gelegene Rittergut Bennigsen, jetzt in Besitz des Oberpräsidenten Rudolf v. Bennigsen, sie verbreiteten sich, da sie die 1582 ausgestorbenen v. Doetzen oder v. Dotessen beerbt hatten auch im Bisthum Hildesheim. Alexander Levin wurde am (21. Juli altenStils) 2. August 1809 auf dem Gute Zakret bei Wilna geboren, wo sein Vater, als General in russischen Diensten, in vierter Ehe mit Marie, geb. Andrzeykowicz lebte. Der Vater wurde als russische Heerführer am Tage nach der Schlacht von Leipzig, am 19. Oktober 1813, vom Kaiser Alexander in den Grafenstand erhoben, er lebte später erblindet in Hannover und schließlich in Banteln und starb dort 1826, 1855 folgte ihm seine Wittwe in den Tod. Der Sohn besuchte das Lyceum in Hannover, studirte Rechtswissenschaft in Göttingen und trat in den hannoverschen Staatsdienst, erst in die Justiz, dann in die Verwaltung, zugleich war er in dem Hofdienst als Hofjagdjunker angestellt. Zuletzt als Amtsassessor Hülfsarbeiter im Ministerium des Innern, schied er aus dieser Stellung 1840 aus. Nach der Verkündung der Verfassung von 1840 ward ein neues Schatzkollegium gebildet und die Calenbergische Landschaft wählte in dasselbe Graf Bennigsen, der wegen seines Freimuths bei Hofe persona ingrata war. Mit diesem Amt als Schatzrath wurde er zugleich Mitglied der Ersten Kammer, des Obersteuerkollegiums und der Generaldirektion der indirekten Steuern. Mitden übrigen Schatzräthen wirkte Graf Bennigsen einmüthig zusammen, Sparsamkeit im Finanzhaushalt zu bewahren, den Versuchen der Regierung, zur Entlastung der königlichen Kasse der Landeskasse große Aufgaben aufzubürden, entgegen zu treten. Als im März 1848 die Entlassung des Ministeriums, in welchem der Geheime Rath v. Falcke den größten Einfluß besaß, gefordert wurde, war es Graf Bennigsen, der dem ihn um Rath fragenden König Ernst August empfahl, den Bürgermeister Stüve in Osnabrück zu berufen und mit der Bildung des Ministeriums zu betrauen. In diesem erhielt v. Bennigsen das Ministerium des Auswärtigen und des Königlichen Hauses, und nahm als Vertreter der Regierung an den Verhandlung der Ersten Kammer Theil. Der einzige erhebliche Krawall, der 1848 in Hannover stattfand, und zwar nicht wegen einer politischen, sondern wegen der Gewerbeordnung, spielt sich am 29. Mai vor der Wohnung v. Bennigsens's in der Burgstraße ab. Wie dem gegenüber wohnenden Stadtdirektor, so wurden auch in seinem Hause die Fenster eingeschlagen. Die Stadtkasse mußte nachher den angerichteten Schaden mit 81 Thaler ersetzen.In der deutschen Einheitsfrage wollte bekanntlich das Ministerium v. Bennigsen-Stüve im Einverständniß mit dem Könige die Souveränität Hannovers möglichst unbeschränkt aufrecht erhalten und war deshalb gegen dieEinführung der Grundrechte, gegen die Frankfurter Reichsverfassung von 1849, schloß aber, um dieser zu entgehen, mit Preußen und Sachsen das sogen. Drei-Königsbündniß im Mai 1849 ab. Wie wenig Ernst es damit Hannover war, ergibt sich aus dem Werke Bunsen's: Aus seinen Briefen geschildert. Dort wird im dritten Bande berichtet: ?Der vom hannoverschen Hofe beglaubigte englische Gesandte Bligh erklärte bei Abschluß dieses Bündnisses, Graf Bennigsen sei auf dasselbe nur eingegangen, in der Erwartung, daß die ganze Sache schließlich resultatlos verlaufen würde. Indessen hatte man dadurch zweierlei erreicht: einestheils, daß man das Volk glauben machte, die Regierung sei ernstlich für die Bestrebungen der deutschen Einheit bemüht, und anderentheils, daß durch das Bündniß mitPreußen Nahrung erhalte.? Wie v. Sybek in seinem Werke über die Begründung des deutschen Reiches erwähnt, hatte v. Bennigsen dem preußischen Gesandten in Hannover gesagt, zu einem Bruch der Nationalversammlung sei die Regierung im eigenen Lande nicht stark genug. In beweglichen Tönen schilderte dann v. Bennigsen die Unmöglichkeit für jeden legitimen Fürsten mit dem (Frankfurter) Parlament auszukommen, und fragte an, ob Preußen nicht einleitende Schritte zu einem Einvernehmen mit dem hannoverschen Hofe über die Reichsverfassung thun wolle. Dem Königsbündniß suchte sich Hannover, sobald es anging, wieder zu entziehen, es protestirte gegen den Beschluß, den Reichstag der Union nach Erfurt zu berufen, und als diese Berufung dennoch beschlossen wurde, zeigte Hannover am 21. Februar 1850 seinen Rücktritt vom Drei-Königsbündniß an, verhandelte dann mit Bayern, Sachsen, Württemberg über ein Vierkönigsbündiß, trat ihm aber nicht bei, weil es nicht die Aufnahme von Gesammtösterreich in den Bund wollte. Graf Bennigsen bemühte sich, die Wiederherstellung des alten Bundestages zu erreichen, und beschickte ihn sofort am 1. September 1850, trotzdem Preußen anfänglich seine Anerkennung der Wiederherstellung verweigerte. Dieses Liebesmühen des Ministeriums Bennigsen-Stüve hat der Bundestag schlecht vergolten, er bot bereitwillig die Hand dazu, daß das Hauptwerk dieses Ministeriums, die Verfassung von 1848,durch die hannoverschen Ritter gestürzt werden konnte. In der inneren Politik wandelte das Ministerium v. Bennigsen-Stüve durchaus auf freiheitlichen Bahnen, die Adelskammer wurde beseitigt, eine den Ansprüchen der Gegenwart entsprechende Verfassung trat am 5. September 1848 ins Leben. Von den hildesheimschen ländlichen Großgrundbesitzern wurde Graf Bennigsen 1849 in die Erste Kammer gewählt, die ihn sofort zu ihrem Präsidenten auserkor, auch blieb er bis zum Verfassungsausbruch von 1855 in dieser Stellung. Die überall in Deutschland siegende Reaktion machte sich auch in Hannover geltend, die Ritter erbittert über den Verlust ihrer Vorrechte durch die drohende Umgestaltung der Provinziallandschaften, durch die liberale Gesetzgebung in Verwaltung und Rechtspflege (Öffentlichkeit und Mündlichkeit, Schwur- und Schöffengericht), suchten und fanden das Ohr des Königs Ernst August. Das Ministerium suchte der Reaktion die Spitze zu bieten und verlangte in einer energischen Erklärung den Schutz des Königs. Derselbe verweigert aber diese Unterstützung seiner Regierung, und das Ministerium Bennigsen-Stüve erhielt am 21. Oktober 1850 die wohl 40 Mal vergeblich erbetene Entlassung. Die Mitglieder des Ministeriums wurden in den Staatsrath berufen. Schluß folgt.
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